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S- sowie J- förmige Kanalgeometrie: eine Herausforderung für die chemomechanische Aufbereitung

Der Patient stellte sich mit der Bitte um Weiterbehandlung des Zahnes 37 vor. Zahn 37 wurde aufgrund einer symptomatischen apikalen Parodontitis bei seinem Hauszahnarzt bereits trepaniert. Aufgrund der Wurzelkanalgeometrie erfolgte die Überweisung zur Weiterbehandlung.

Pulpale Diagnose: Bereits anbehandelt (previously initiated therapy); Periapikale Diagnose: symptomatische apikale Parodontitis (PAI Score: 4)

Therapie: Maschinelle Gleitpfaderstellung und Wurzelkanalaufbereitung, Spülprotokoll und medikamentöse Einlage, Wurzelfüllung 

 

 

Autor: Dr. Christian Diegritz

Abb. 1  Diagnoseaufnahme (alio loco) Regio 37: Symptomatische apikale Parodontitis (PAI 4). Als Besonderheit erkennt man bereits die S-förmige Kanalkrümmung in der mesialen Wurzel und die J-förmige apikale Krümmung im distalen Kanal.
Abb. 2  Röntgen-Messaufnahme: Aufgrund der Kanalkrümmung erfolgte die Messaufnahme bereits nach der Erstellung eines Gleitpfades bis ISO 10. Der mb und ml Kanal verfügen jeweils über ein separates Foramen.
Abb. 3 Aufbereitung des distalen Kanals: Es ist darauf zu achten, die Kontaktzeit im Kanal kurz zu halten sowie den Kanal abschnittsweise von koronal nach apikal zu bearbeiten. Zusätzlich verhindert eine regelmäßige Rekapitulation mit einer Handfeile bis zur endometrisch bestimmten Länge eine Verblockung des Kanals mit Debris.
Abb. 4 Nach jedem Einsatz im Kanal ist die Feile visuell auf Deformationen zu überprüfen.
Abb. 5 Vor Aktivierung des NaOCl mit einer Ultraschallfeile im distalen Kanal.
Abb. 6 Während der Aktivierung der Spüllösung mit Ultraschall. Man erkennt eine deutliche Eintrübung der Flüssigkeit - ein Indiz für die Reinigungswirkung.
Abb. 7 Der Einsatz dieser Ultraschallspitzen zur Aktivierung der Spüllösung ist jedoch auf das koronale (mesial) bzw. mittlere Wurzeldrittel (distal) begrenzt.
Abb. 8Eingepasste Mastercones vor der Masterconeaufnahme.
Abb. 9 Agitation der Spülflüssigkeit: Diese eingepassten Mastercones eignen sich hervorragend, um die Spüllösung zu aktivieren.
Abb. 10 MDA = „Manual dynamic agitation“: Durch ständiges schnelles Auf- und Ab- Bewegen des eingepassten Mastercones (Pumpen) in einem mit NaOCl gefluteten Wurzelkanalsystem kommt es zu einem 100%igen Austausch der Spülflüssigkeit, sodass frisches NaOCl in den schwer zugänglichen apikalen Kanalstrukturen desinfizierend wirken kann. Achtung: Pumpende Bewegung von 2-5 mm.
Abb. 11 Masterconeaufnahme.
Abb. 12 Kontrollaufnahme nach Wurzelfüllung: Die Obturation erfolgte in der sog. Single Cone Technik mit einem Sealer auf Tricalciumsilikatbasis. Vergleicht man die Röntgenmess- mit der finalen Obturationsaufnahme, so konnte durch dieses beschriebene Vorgehen sowohl eine signifikante Transportion als auch eine Feilenfraktur vermieden und eine adäquate Obturation ohne Extrusion erzielt werden.
Abb. 13 Aufnahme vor und nach der Wurzelfüllung; anschließend Applikation des Kompositverschlusses.
 
Zusammenfassung

Die besondere Herausforderung bei der Aufbereitung von S- bzw. J-förmigen Kanalstrukturen liegt in der Risikominimierung von Kanaltransportationen und Instrumentenfrakturen. Drei Maßnahmen sind hierfür entscheidend: Das Erstellen eines adäquaten Gleitpfades, eine abschnittsweise Aufbereitung des Wurzelkanals sowie die Verwendung eines geeigneten Feilensystems. Traditionell erstellen wir den Gleitpfad mit C-Handfeilen der ISO Größen 08 und 10. Dadurch erhalten wir ein taktiles Feedback über die Beschaffenheit des Wurzelkanals, welches durch die Verwendung eines Winkelstücks verloren gehen würde.

Als Feilensystem für S- oder J-förmige Kanäle verwenden wir Feilensysteme, welche sich bei Körpertemperatur überwiegend in der martensitischen und damit weichen kristallinen Phase befinden. Diese Feilensysteme verfügen nicht über das typische pseudoelastische Verhalten klassischer Feilen und entfernen somit weniger Dentin an der Außenkurvatur des Wurzelkanals (was zu einer Reduktion der Kanaltransportation führt). Bezüglich der Gefahr einer Feilenfraktur bieten diese Feilensysteme Vor – wie auch Nachteile: Hinsichtlich der Biegeermüdung sind sie klassischen Feilensystemen klar überlegen, nicht jedoch hinsichtlich der Torsionsermüdung. Aufgrund der beschriebenen materialkundlichen Eigenschaften empfiehlt sich somit bei starken Wurzelkanalkrümmungen ein schrittweises, von koronal nach apikal gerichtetes Vorgehen: Die Feile wird hierbei im Winkelstück passiv in den Kanal eingeführt, bis sie auf Widerstand stößt. In dem Moment, in dem man die Friktion der Feile spürt, wird die Feile aus dem Kanal entfernt, auf Unversehrtheit überprüft und die Gängigkeit mit einem Handinstrument überprüft. Nun kann man tiefer passiv in den Kanal vordringen und das Prozedere (Aktivieren bis Friktion, Entfernen, Prüfen, Gängigkeit) beginnt von Neuem, bis die Arbeitslänge sowie die gewünschte Aufbereitungsgröße erreicht werden.

Dr. Christian Diegritz
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